Mit dem Renault R.S.01 um den schnellen Red Bull Ring in der Steiermark zu fliegen, ist hart. Der 550 PS starke Prototyp kennt kein Pardon, weder mit anderen auf der Strecke, noch mit seinen Insassen. Besonders Bremsmanöver sitzen wie Schläge in die Magengrube. Eine Renntaxi-Fahrt.
Besonders wenn´s ums Schreiben eines Textes geht, sollte man die Spannung hoch halten, wenn möglich bis zur letzten Zeile, und daher nicht mit der Tür ins Haus fallen. Im Fall der Renntaxi-Fahrt in der Steiermark scheint das aber unangebracht. Denn die Erinnerungen an die verdammt schnellen Runden in einem Renault R.S.01, einem mit Slicks bereiften Prototyp, ein reinrassiger Mittelmotor-Vollblut-Racer auf vier Rädern, pilotiert von seinem Ebenbild aus Fleisch und Blut, der auf jeder Geraden drauf- und in jede Kurve reinhält, als sei „Die Totgeweihten grüssen Dich“ sein Lebensmotto, haben Spuren hinterlassen – des Wahnsinns Spuren blanker Begeisterung. Oh wie herrlich krass!
Befeuert von 550 PS aus dem Motor des Nissan GT-R – dem einzigen Bauteil in diesem Renn-Viech, das einer Serienproduktion entstammt – stürmen wir mit allem was das berüchtigte 3,8-Liter-V6-Biturbo hergibt über die Start-Ziel-Gerade der Berg-und-Talbahn im Zeitraffertempo auf die überspitze Rechtskurve zu. An einer Stelle schliesslich, an der man selbst mit einem hochpotenten Supersportler für die Strasse nur noch den Einschlag ins Kiesbett quittieren könnte, passiert es: „Rumms!“ – Der schmächtige Gladiator hinterm spartanischen Lenkrad mit den vielen Drehreglern rammt das Bremspedal in die tiefen des Monocoques.
Als fährt man vor eine Wand
Vom Vollgas in die Vollbremmsung – die glühenden Carbon-Bremsen kennen keine Gnade. Darauf gefasst was kommt, von breiten Gurtriemen gefesselt, Hände und Füsse gegen alles in der heissen Fahrerkabine gepresst, was sie berühren können, schlägt es mich nach vorne, presst mich mit Überdruck in den festen Renngurt, drückt mich mit voller Wucht nach links, als der Typ im feuerfesten Anzug neben mir scheinbar unberührt von allem nach rechts einlenkt. Renngurt und Sitzschale halten mich zusammen, die mächtigen Slicks auf dem R.S.01 scheinen keinen Schlupf zu kennen. Bei mir pfeift die Luft aus dem letzten Loch, während der R.S.01 sie sich bereits wieder Literweise durch die Turbolader zieht und sein Leistungsfeuerwerk uns mit der Inbrunst auspuffloser Volllast bereits zur nächste Kurve mitreisst. Ich nutze jeden Zentimeter Bewegungsspielraum, der mir an den knochigen Carbon-Schalensitz gefesselt bleibt und rücke mich zurecht, während links und rechts Renault-Kunden in ihren Strassen-Performance-Modellen an uns vorbeischiessen – als kämen sie uns im Rückwärtsgang entgegen.
Dem konzentrierten Herrn auf dem Fahrersitzt strecke ich noch fix meinen nach oben gereckten Daumen ins Blickfeld. Heisst soviel wie: Alles klar! Bitte weiter mit dem Ritt am Limit! Die monumentale Schlacht im Kosmos der G-Kräfte dauert noch zwei Runden. Unfassbar das Potenzial dieses Autos!
Topleistungen im Motorsport nutzen Autohersteller, um ihre Fähigkeiten zu unterstreichen. Und oft liefern Erfolgsrezepte für schnelle Rundenzeiten auch wichtige Inspirationen für die Sicherheit und sportliche Performance in Serienautos. Im Falle des Renault R.S.01 dürften die Franzosen noch lange von dessen Potenzial zehren: Nur 1100 Kilo schwer, aus einem Carbon-Monocoque gebacken, mit Pushrods und Unibal-Gelenken und schier endloser Karosseriesteifigkeit ist der Prototyp ein unglaublicher Typ im Stil eines GT3-Typen, der bei 270 km/h einen zusätzlichen Anpressdruck seines eigenen Fahrzeuggewichts entwickelt. Zwar hat der R.S.01 seine Karriere als Racer im Markenpokal schon hinter sich und eine Strassenversion des superschnellen Franzose ist nicht geplant, doch wird sein Potenzial bestimmt noch viele Renaults schneller machen. Und wer sich von der Aura dieses Ausnahme-Racers mit GT3-Blut in den Benzinleitungen anstecken lassen will, kann das in der autobau erlebniswelt in Romanshorn, dem wohl aussergewöhnlichsten Automuseum der Welt, machen.
Mathias Wohlfeld